Heinrich Jost mit Milchkarre 1938
Ein bewegtes Auf und Ab mit Niedergang

18.02.2013 – Von Ulrich Förster, Josef Arnolds und Kurt Förster

Ende des 19. Jahrhunderts trugen sich einige Landwirte mit dem Gedanken, die eigene Verarbeitung der anfallenden Milch einzustellen und dies einer Molkerei-Genossenschaft zu übertragen. Vier Bauern mit 16 Kühen aus Eicherscheid traten der seit dem 23.9.1893 bestehenden Molkerei-Genossenschaft in Imgenbroich bei.

Nun ging per Pferdefuhrwerk täglich eine Milchfuhre in den Nachbarort. Die Mitgliederzahl in Imgenbroich stieg beständig an; nach einigen Jahren waren 90% der einheimischen Landwirte Mitglied in Imgenbroich. Die eintretenden Landwirte mußten einen Betrag von 100 Mark leisten; eine beträchtliche Summe für die überwiegend kleinen Bauern! Der Preis der damals angelieferten Milch betrug rund 8 Pfennige je Liter bei Rückgabe der Magermilch.

Verarbeitet wurden um die Jahrhundertwende täglich zwischen 3.000 und 14.000 Liter. Um diese Zeit waren in den Sommermonaten Tag für Tag fünf für diesen Zweck hergestellte Fuhrwerke nach Imgenbroich unterwegs. Diese der Molkerei Imgenbroich gehörenden Karren besaßen eine niedrige Bordwand um das Auf- und Abladen zu erleichtern. Die Kannen waren nicht immer komplett gefüllt, weil manche ihrem Nachbarn ein höheres Milchaufkommen vortäuschten und mehr Kannen als notwendig an die Straße stellten. Bedingt durch die Trockenfütterung verringerte sich die in den Wintermonaten angelieferte Milchmenge bis weit unter die Hälfte. Das hatte natürlich auch eine starke Reduzierung des monatlichen Milchgeldes zur Folge.

Gründung der Eicherscheider Molkerei-Genossenschaft 1910

In den folgenden Jahren wurde der Ruf für eine eigene Verarbeitung der Milch in Eicherscheid immer lauter. Gründe dafür waren angebliche Zwistigkeiten mit der Imgenbroicher Molkerei und zum anderen auch die lange und beschwerliche Milchanfuhr im Winter bei Eis und Schnee. Im Sommer bestand dazu noch die Gefahr der Milchansäuerung an heißen Tagen. Im Jahre 1910 war es dann soweit. Die Genossenschaft wurde gegründet und im Juli lagen 130 Anmeldungen für die Milchanlieferung vor.Noch im November 1910 wurde das Gebäude technisch abgenommen, so das zum Jahreswechsel die Milchverwertung in Eicherscheid aufgenommen wurde. Vorstandsvorsitzender wurde Johann Kaulard (d’r Isaac’s) und Verwalter Theo Heiler (sen.), der aus Borsum bei Hildesheim/Niedersachsen stammte. Der Betrieb lief so gut an, dass die geplante Getreidemühle ein Jahr später gebaut werden konnte. Dadurch mußte die alte Bannmühle in der Belgenbach den Betrieb einstellen. Auch hier hatte der bisher schwerliche Gang (mit Fuhrwerk oder „Schörreskaar) für die Eicherscheider ein Ende.

Ende 1915 betrug der Fuhrlohn  2,70 Mark pro Tag und Mitglied, für Frischmilch mit einem Fettgehalt von 4,7 % wurde 0,21 Mark pro Liter vergütet. Um diese Zeit (1. Weltkrieg) wurde die Genossenschaft verpflichtet, jeden Monat 300 kg an die staatliche Lebensmittelzentrale zu liefern. Den Mitgliedern stand pro Woche und Person nur noch 125 g zu. Nach der Niederlage im 1. Weltkrieg machten sich sehr schnell – bedingt durch die Aushungerungabsicht der Allierten –  die Blockaden der Alliierten negativ bemerkbar. Schwierigkeiten gab es auch in extremen Trockenjahren, genügend Kühl- und Spülwasser aus dem eigenen Brunnen zu ziehen. 1936 wurde Eicherscheid an die Wasserleitung angeschlossen und konnte dann den Wasserverbrauch sicherstellen. Mühevoll war auch der Ausgleich zwischen der Sommer- und der deutlich niedrigeren Winterproduktion. Die Genossen mußten deshalb mit sogenannter Einsteckbutter im Sommer für den Winter vorsorgen. Hergestellt wurde in diesen Jahren Sauerrahmbutter und verschiedene Sorten Quark und Käse. Anfang der 20er Jahre wurde der Versuch gestartet, an der Molkerei eine Dreschanlage zu installieren. Diese arbeitete auch ein Jahr, der Betrieb mußte dann aber eingestellt werden, weil die Staubentwicklung den Molkereibetrieb zu stark beeinträchtigte. Ab Januar 1936 lieferten die Landwirte aus Huppenbroich ihre Milch an die Eicherscheider Molkerei.

Die Gebäudeschäden waren nach dem zweiten Weltkrieg nicht besonders groß und so konnte die Molkerei die Produktion wieder am 6. Januar 1946 aufnehmen. Die englischen Besatzer stellten den Kraftstoff für den Dieselmotor zur Verfügung, der anstelle der alten Dampfmaschine vorerst Energie lieferte. In diesen Jahren schied aus Altersgründen Theo Heiler sen. als Verwalter aus und Hermann van der Boom als Nachfolger  konnte die einsetzenden Schwierigkeiten nicht lösen; es zeichnete sich in den folgenden Jahren eine Schließung immer deutlicher ab. Die Molkerei hätte, um rentabel arbeiten zu können, ein wesentlich größeres Einzugsgebiet benötigt.

Schließung der Molkerei 1953

Im März 1953 war die Molkerei zahlungsunfähig und der Betrieb wurde dann endgültig eingestellt, während die Mühle noch bis 1972 arbeiten konnte. Die Milch wurde dann wieder mit der Pferdekarre nach Imgenbroich geschafft aber schon bald 1954 mit Traktoren und später mit Tankfahrzeugen.

In den 60er Jahren lieferten die Eicherscheider Bauern im Sommer pro Tag um die 1.000 Liter Milch nach Imgenbroich. In der brachliegenden Molkerei wurde eine Gemeinschafts-Gefrieranlage geschaffen und in den einzelnen Boxen konnten die Mitglieder ihre Butter-, Fleisch, Wurstvorräte usw. lagern und bei Bedarf wieder zum Verzehr zurückholen. Mit dem Aufkommen der Gefrier- und Kühlschränke hatte die Anlage dann nach etlichen Jahren keine Mitglieder mehr und wurde geschlossen. Das Molkereigebäude wurde 1972 verkauft und ist inzwischen in eine gelungene Wohnanlage umgebaut worden.

Landwirtschaft ade!

Wie ist die landwirtschaftliche Situation heute?  In vielen Heimatjahrbüchern wurde häufig – auch etwas abwertend – Eicherscheid als „ausgesprochenes Bauerndorf“ bezeichnet; dies hat sich drastisch geändert; seit Ende der 90-er Jahre ist keine einzige einheimische Milchkuh mehr anzutreffen; es existiert kein landwirtschaftlicher Voll- oder Neben-Erwerbshof mehr in Eicherscheid. Die Wiesen und Felder sind meist an die Raffelsbrander, Vossenacker oder Lammersdorfer Großbauern verpachtet, die hier meist ihr Jungvieh in den Sommermonaten weiden lassen und mit riesigen Traktoren und Maschinen die Heuernte einfahren und somit die Wiesen bearbeiten und pflegen. Auch viele Pferde sind heute dank des sehr aktiven Reitervereins auf den Eicherscheider Wiesen zu finden. Weiter beweiden zwischenzeitlich annäherend ca. 1000 Schafe die Eicherscheider Ländereien, im übrigen eine Wiederbelebung der Schäferei, wie im 18./19. Jahrhundert.

Ende auch der Imgenbroicher Molkerei

Die Molkerei in Imgenbroich wurde 1968 geschlossen, das Molkereisterben hatte längst begonnen. Die Milch aus dem damaligen Kreis Monschau wurde dann zuerst nach Düren und Köln gebracht. Diese Molkereien mußten auch nach wenigen Jahren den Betrieb einstellen. Mit der Pronsfelder Milch-Union GmbH Hocheifel (MUH) wurde dann ein neuer Abnehmer gefunden. Am 1. Oktober 2012 folgte dann der Zusammenschluß mit dem skandinavischen Milchkonzern Arla Foods zur Deutschland GmbH; diese GmbH und ist zur drittgrößten Molkerei in Deutschland aufgestiegen mit einer der modernsten und effizientesten Produktionsstätte in Pronsfeld nahe dem Eifeler Städtchen Prüm und einer breiten Produktpalette. Rund 2.700 Genossenschaftsmitglieder aus Deutschland, Belgien und Luxemburg sollen den Standort und die Produktpalette in der Eifel sichern.

Zum Schluß noch eine ältere Episode zur Molkerei: 1947 werden in der Molkerei 50 Pf. Butter gestohlen. Beim Verkauf des Diebesgutes an einen Gastronomie-Betrieb aus Monschau wurden die Täter überführt; es handelte sich um 2 junge Männer, einer aus Eicherscheid und der andere aus Huppenbroich.

Quellen: Aufzeichnungen Josef Förster, Otto Drosson: Molkerei Imgenbroich, Ulrich Förster: Die Molkerei-Genossenschaft Eicherscheid, Familie Theo Heiler jun. und Zeitzeugen.

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