Im Foto die früheren Eigentümer Fam. Junkersdorff.

Gastwirtschaften und Säle hatten in früherer Zeit generell in den Orten einen hohen Stellenwert. Warum? Nicht nur der Verzehr alkoholischer Getränke zog die Dorfbewohner in die Gaststätten, auch der Drang zur Kommunikation und Information war sehr entscheidend für einen Besuch beim Dorfwirt. Im 18., 19. und der 1. Hälfte des 20. Jh. war die Kommunikation ja weitestgehend auf den Ort beschränkt. Sofern nicht beruflich oder militärisch bedingt, bestand kaum die Möglichkeit nach und mit „Außen“ zu kommunizieren. Fernsehen, Radio, Telefon oder PKW waren zu der Zeit für die Dorfbewohner einfach nicht vorhanden bzw. unerschwinglich; und so war gewöhnlich neben der Zeitung (ab Ende 19. Jh) die einzigste Möglichkeit, das „Neueste“ zu erfahren, der Besuch beim Dorfwirt. Die heute üblichen Disco-Besuche kannte man auch nicht. Die einzigsten Möglichkeiten, mal das Tanzbein zu schwingen, waren die Dorffeste in den Sälen im Ort (Kirmes, 1. Mai, Erntedank o.ä.). Auch dienten die Gaststätten z.T. als Info-Stellen in Form von beispielsweise Plakaten für behördliche Anweisungen (Mobilmachung, Regierung, Landrat, Polizei o.ä.).

Hinsichtlich der Kommunikation, Information und Geselligkeit haben die Gaststätten auch heute noch eine wesentliche Bedeutung in einem funktionierenden Ort. Bleibt zu wünschen, dass diese Gaststätten-Tradition dem Ort Eicherscheid auch für die Zukunft erhalten bleibt.

27.03.2013 – L. Siebertz

1. Gaststätte gegenüber der Dorflinde

Hausname: „Beim Alten Linzenich“, Kirchweg 9

Ein „Wirth“ an dieser Stelle wird schon 1740 erwähnt. Am 23. August 1830 heiratet Matthias Gerhard Förster die Tochter des Leonardus Clähsens, eine Anna Sibille Clähsens. Um diese Zeit muß der Bräutigam neben dem Elternhaus der Braut in der neu errichteten Wirtschaft als Wirt fungiert haben. 1858 nach dem Tode des Mathias Gerhard Förster erhält Tochter Josephine, die den Johannes Mathias Linzenich 1860 heiratete, die Wirtschaft. Späterer Besitzer war Franz Linzenich; 1911 übernahm Franz Junkersdorff aus Sourbrodt die Gaststätte. Aufgrund der zentralen Lage im Ort wurden in und an der Gaststätte wesentliche amtliche Bekanntmachungen angeschlagen, so u. a. der Mobilmachungsbefehl zum 1. Weltkrieg 1914, aktuelle Kriegsstands-Mitteilungen, Bekanntmachungen der örtlichen Polizeidiener u.ä.. 1922 war Junkersdorff pleite.

Die Gaststätte wurde 1922 von Leo Kaufmann ersteigert. Kaufmann wurde weit in den dreißiger Jahren aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Judentum von den Nazis verfolgt, so dass er 1938 die Gaststätte wegen der nicht mehr zu ertragenden Repressalien aufgeben mußte. Ihm gelang mit seiner Familie die Flucht über Brüssel in die USA. Späterer Besitzer war Ludwig Linzenich, der im 2. Weltkrieg fiel. In den Nachkriegsjahren baute Leo Linzenich die total zerstörte Immobilie wieder auf als Geschäftshaus mit Wohnungen.

2. Gaststätte Hilgers-Röder

Hausname: „a Helliesch“, Am Weiher 3

Johannes Hermanus Offermann aus Eicherscheid heiratet am 14. Mai 1848 Anna Catharina Kaulard, Witwe von Gerard Kaulard aus Hammer. Da Vater, Großvater und Urgroßvater alle Hermanus hießen, entstand der Hausname „bey Männesjees Nöll“. Der Vater wurde unter der Adresse „Auf dem Feild“ schon 1793 als „Branntweingeber“ deklariert; er starb 1843. Sein Sohn wohnte dann nach seiner Hochzeit „Am Weiher“. Neben der Wirtschaft hatte das Ehepaar einen kleinen Lebensmittelladen und verkaufte Kurzwaren. Nach seinem Tode führte Sohn Arnold, der 1880 geheiratet hatte, aber keine Nachkommen hatte, die Wirtschaft.

Nach dessen Tode übernahm seine Nichte Josefine Offermann mit ihrem Ehemann Heinrich Hilgers aus Monschau die Wirtschaft, die nun auch fortan „a Helliesch“ genannt wurde. Das Anwesen wurde um 1950 um einen Saal (mit Holzdecke!), der über dem Viehstall lag und über eine Außen- und Innentreppe zu erreichen war, sowie um eine Kegelbahn erweitert. Nach dem Tode von „Finchen“ und Heinrich Hilgers übernahm die Tochter Hilde und Ehemann Hans Röder aus Hammer den Gaststättenbetrieb. 1989 wurde die Kegelbahn und der Saal geschlossen und nur noch für Geburtstagsfeiern etc. geöffnet. Als Wirtin Hilde Röder 1995 starb, wurde auch der Gaststättenbetrieb eingestellt.

3. Gaststätte Förster

Hausname: „a Martinches“, Eicherscheid 40

Martinus Scheidt und Agnes Jansen heiraten 1859 und betreiben eine Wirtschaft, daher der Name „a Martinches“. Die Tochter Gertrud Scheidt heiratetet 1879 Johann Mathias Kaulard. Deren Tochter, wiederum eine Gertrud, heiratet 1912 Mathias Förster. Ein Tanz und Veranstaltungssaal mit Bühne für Theateraufführungen gehörte seit 1911 dazu sowie eine Kegelbahn. Jahrzehntelang bis Ende der 50-er Jahre wurden hier vom Eicherscheider Theaterverein „Lachende Herzen“ Theaterstücke aufgeführt. Das Haus mit Gaststätte, Stall und Scheune  wurde 1963 durch einen Großbrand Opfer der Flammen und von dem Besitzer Simon Förster und Ehefrau Agnes geb. Breuer aus Rollesbroich wieder aufgebaut, aber ohne Gaststätte. Der Saal mit Kegelbahn, ein Stück Eicherscheider Geschichte, wurde 1982 abgerissen und an dieser Stelle das Wohnhaus von Erich und Marion Förster neu errichtet. Stall und Scheune sind mittlerweile in Wohnungen umgebaut worden.

4. Gaststätte Küpper

Hausname: „a Lennertsches“, Kirchweg 15

Joannes Leonardus Claehsens, geb. 23. Januar 1821 wohnhaft in der damaligen Kirchstraße, heiratet am 15. Januar 1859 Anna Catharina Hoch aus Eicherscheid.

Die Berufsangabe war Schreiner und „Wirth“. Sein Großvater hieß auch Leonardus und daher der Gaststätten-Dorfname „a´Lennertsches*, der bis heute Gültigkeit hat. Seine Tochter Anna Gertrud heiratete 1886 den Schreiner Mathias Gerardus Heck, der den Ausschank bis zu seinem Tode 1906 weiterführte. Dessen Tochter Catharina heiratete Heinrich Förster der aus dem Nachbarschaftshaus stammte. Dieser fiel im ersten Weltkrieg und die Witwe heiratete 1925 Johann Küpper aus Vicht. Dieser war jahrelang Tambourmajor im Eicherscheider Trommler- und Pfeiferkorps und stürzte tödlich bei Anstreicherarbeiten an der Gaststätte von der Leiter. Im zweiten Weltkrieg wurde das Anwesen völlig zerstört. Sohn Oswald Küpper und Ehefrau Maria Offermann bauten Haus und Gaststätte wieder auf und eröffneten Pfingsten 1950 wieder den Gaststättenbetrieb. Heute betreibt Sohn Gerd Küpper mit Ehefrau Rita, geb. Küchen aus Stolberg die Gaststätte.

5. Gaststätte Johann Nikolaus Fink

Hausname: „a Heinze“, jetzt Eicherscheid 21

1824 hat ein Johann Nikolaus Fink, Sohn von Johann Fink und Cath. Sieberts aus Eicherscheid,  Anne Cath. Dreesen, Tochter von Peter Dreesen und Getrud Valentins, geboren in Kesternich und wohnhaft in Steckenborn geheiratet. Nikolaus war von Beruf Wollenweber, wie seine Ehefrau, und Feldhüter. Das Ehepaar wohnte auf Kallmerich 18 und Dohnschet 14. Nikolaus war mittlerweile „Branntweingeber“ und betrieb dazu noch einen Laden mit Spezereiwaren. Seine Tätigkeit als Branntweingeber muß man sich so vorstellen, das er aus dem Fenster heraus an vorbeikommende Männer, meist Fuhrleute, die am Fenster anklopften, Branntwein ausschenkte und sicherlich noch ein kleines Schwätzchen hielt. Später wurde das Haus verkauft an Mathias Kaulard und seine Frau Anna Maria geb. Küpper und der Ausschank vermutlich geschlossen. Mathias stammte aus „Kulertzhus“ auf der Breitestraße. Die Tochter der beiden, Maria-Lucie heiratete Heinrich Kell (d´r Heinz). Der Hausname, „bej Tönches Heinz“, war eine Zusammensetzung der Namen Anton vom Vater und des Sohnes Heinrich. Heutige Besitzer des Hauses Eicherscheid 21 sind Heinrich Kell jun. und Lucie, geb. Heck. Die Gaststätte ist in „Sanders großes Adreßbuch 1862“ aufgeführt.

6. Hotel, Gaststätte und Speiselokal „Haus Gertrud“

Bachstraße 4

Von Robert und Trude Offermann erbaut und 1974 eröffnet; Übernahme durch Tochter Luise Kaulard 2002.

Ein beliebter Treffpunkt für viele Eicherscheider, insbesondere nach getaner Arbeit, war auch die Gaststätte Reinartz, Am Gericht – zugehörig zur Gemeinde Simmerath. Diese Gaststätte wurde 1939 von Reinartz, Roetgen übernommen. Vorheriger Besitzer war die Fam. Wilden. Tochter Helmi übernahm in den 60-er Jahren mit Ehemann Hans Willi Bertram aus Eicherscheid die Gastätte bis Anf. 21 JH.. Gegenüber auf der Konzener Seite stand vorher noch eine Gaststätte, namens Lenzen. In diese Gaststätte kehrten vor allem Fuhrleute ein, die ihre Waren zum Konzener Bahnhof brachten.

27.03.2013 – Kurt Förster

Quellen: Sammlung Trude Heiler, Sanders großes Adreßbuch von 1862, Recherchen und Angaben der heutigen Besitzer und Nachfahren, Kirchenbücher, Gemeinschaftsarbeit des Seminars für Soziologie an der Unversität Köln um 1937, Der Eremit am hohen Venn, Jahrbücher Das Monschauer Land. Zeitzeugen aus Eicherscheid u.a. Christel Hermanns.

Die alte Schreibweise der Personennamen, Berufe und Bezeichnungen ist teilweise beibehalten. Es kann kein Anspruch auf Vollständigkeit angeführt werden, weil „Branntweingeber und Wirthe“ usw. öfter wechselten oder aufgaben und neue dazukamen, die nirgendwo aufgeführt sind.

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