Tagebücher aus der Kriegszeit – Das Jahr 1914

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Autor der Tagebücher war Johann Michael Förster, * 1879  † 1965, langjähriger Küster von Eicherscheid,

Das Jahr 1914

J. M. Förster hat die ersten 2 Jahre des 1. Weltkrieges von 08/1914 – 04/1916 in einem Tagebuch sehr detailliert dargestellt. In diesen Aufzeichnungen sind unschwer die Nöten und Ängste für die Zukunft der Familien und des Vaterlandes aber auch ein gewisser Patriotismus zu erkennen. Die ersten Monate, insbesondere auch die Zeit der Mobilmachung, finden Sie im Folgenden wortgetreu und ungekürzt; die weiteren Darstellungen sind in einer Zusammenfassung dargestellt.

„Nachdem schon seit einer Woche die Zeitungen allerhand Kriegsgerüchte gebracht hatten, sollte am 31.07.1914, Anfang des großen Weltendramas, der Anfang des großen völkermordenden Krieges sein. An diesem Tage hatte ich in der Brommbach Gras gemäht. Als ich am Abend 1/2  9 Uhr nach Hause ging, hörte ich schon unterhalb des Dorfes in der Kuhl das über das Gebiet des VIII. Armeechorps der Kriegszustand verhängt sei. Um 6 Uhr sei die Depesche angekommen. Mehrere Leute der älteren Jahrgänge müßten sich noch heute Abend in Montjoie stellen.

An der Wirtschaft Junkersdorff gegenüber der Kirche hing ein großes Plakat mit allerhand Verfügungen über den Kriegszustand. Wohl ein Dutzend Leute standen dabei lesend und die Ereignisse des Tages besprechend. Diese sagten mir, der Polizeidiener sei nach Hammer, um auch dort bekannt zu machen. Derselbe mußte sich heute Abend oder Morgen früh zur Bewachung der Bahnstrecken auf den ihnen zugewiesenen Bahnstationen stellen. Aus der Wirtschaft heraus hörte ich lautes Gespräch über Krieg, Fortgehen usw.. Eintretend gewahrte ich hier, wie der Wirt Förster und Junkersdorff darüber uneinig waren, ob sie bis Morgen früh warten könnten. Einige der Umstehenden rieten ihnen schließlich an, zu warten. Der Diskussion wurde ein Ende gemacht, als der Herr Ortsvorsteher, Andreas Offermann, in der Tür erschien und ihnen klar machte, daß sie sich ihrem Paß gemäß sofort nach dem bekannt werden des Kriegszustandes zu stellen hätten. Da gibt’s kein Warten mehr. Noch am selben Abend also gingen die beiden Wirte, Junkersdorff und Förster zur Bewachung der Bahnstrecken auf den ihnen angewiesenen Stationen; ebenfalls aus der Wirtschaft heraus sodann Hubert Kaulard und Johann Thomas zu ihren Gestellungsorten. Wie ich hörte, haben sie in derselben Nacht auch schon Dienst Dienst getan.

Der Postagent Mathias Kaulard, unser Nachbar, mußte ununterbrochen am Telephon stehen. Gegen 2 Uhr in der Nacht wurde auch er abberufen nach Losheimergraben. Morgens 5 Uhr /Samstags ging mein Schwager, Paul Jansen, um sich in Ulfingen hinter St. Vith zu stellen. Ebenso noch mehrere andere vom geübten Landsturm und Landwehrmänner, deren Aufgabe es war, die Bahnstrecken und Bahnhöfe zu bewachen. Zusammen mochten wohl 11 Mann fort sein.

Bis Samstag Mittag erwartete man die Mobilmachung. Als diese aber noch immer nicht bekannt gemacht wurde, beruhigten sich allmählich die aufgeregten Gemüter und man dachte schon, es würde wohl doch nicht ernst werden. Wie der Mensch geneigt ist, immer wieder das Gute und Beste zu hoffen und zu erwarten. Ich ging Mittags nach der Kirche zum Heu. Aber schon Abends auf dem Heimwege erfuhr ich, dass  die Mobilmachungsorder eingetroffen sei. Nun fing die Sache doch an, unheimlich zu werden. Das ganze furchtbare eines Krieges mit den modernen Waffen der Jetztzeit stieg einem unaufhörlich vor die Seele. Wieviel Jammer, Elend und Not mußte ein solcher Krieg mit sich bringen. Wir Deutsche und Österreicher mußten ja nach 2 Fronten kämpfen, gegen Frankreich und Rußland, soviel man hier aus den Zeitungsberichten wußte.

Im Dorf angekommen, hörte ich immer wieder von der Mobilmachung. Der eine rief es dem anderen zu. Zu ganzen Haufen standen die Leute auf der Straße zusammen, die Ereignisse des Tages besprechend. Die einen wohl noch mutwillig, andere dagegen weinend und jammernd, dass ihre Söhne oder der Gatte zum Krieg fort müßten. Da es Samstag Abend war, so begab ich mich gleich zur Kirche, um meinen Verpflichtungen als Küster nachzukommen und zur Salve Andacht zu läuten. Hier gewahrte ich am Beichtstuhle fast lauter Reservisten und Landwehrleute, welche sich, bevor sie den Gefahren des Krieges entgegen gingen, noch mit ihrem Gott durch den Empfang der hl. Sakramente aussöhnen wollten. Dieses dauerte auch noch nach der Andacht an. Es war fast 10 Uhr, als ich nach beendigtem Dienst nach Hause ging.Froh, endlich Feierabend zu haben und über die Kriegslage nachdenkend.

Aber es sollte noch ganz anders kommen. Auf dem Heimwege begegnete mir der Stimme nach ein Fremder. Erkennen konnte ich ihn nicht, da es bereits stark dunkelte. Nach dem üblichen Gruße rief er mir nach: Alles, alles ist mobil! Der ganze Landsturm auch. Das wird wohl noch Zeit haben, rief ich lachend, so schlimm ist’s noch nicht. Zu Hause angekommen, erzählte ich die Tagesneuigkeiten und erwähnte auch des Fremden, dem ich aber nicht so recht glauben könnte. Wie wahr derselbe aber gesprochen hatte, sollten wir bald erfahren. Wir saßen noch am Abendbrot als ein Bote vom Ortsvorsteher eintraf mit der Weisung, ich sollte sofort zur Kirche gehen und Sturmläuten. Der Landsturm müsse zusammen kommen. Jetzt fing die Sachlage aber an, brenzlich zu werden. Bis jetzt wußte man ja noch garnichts von einer Kriegserklärung und schon sollte der Landsturm aufgeboten werden? Sollte das denn auch den ungedienten Landsturm angehen? Das war doch wohl kaum möglich. Und dann jetzt Sturmläuten, wo es doch beinahe 11 Uhr war. Das mußte ja das ganze Dorf aus den Federn heben. Weil die Sache mir zweifelhaft vorkam, so erkundigte ich mich gleich beim Herrn Pastor und dem Ortsvorsteher, um sicher zu sein. Nachdem mir diese zuteil geworden, trat ich mit meinem Bruder und einem Studenten, welcher beim Herrn Pastor zu Besuch war, an den Strang der Glocken und zogen feste drauf los. Bald löste mich einer ab. Ich ging hinaus um zu sehen, ob das Läuten Erfolg hätte. Und das hatte es! Wohl 20 Leute standen schon auf der Straße harrend der Dinge die da noch kommen sollten. Weithin dröhnten die gewaltigen Töne der Glocken durch die Stille Nacht, immer mehr Schläfer aufweckend und herbeiführend. Aber wie ganz anders klangen die Glocken, als wenn sie sonst in friedlichen Zeiten die Gläubigen zum hehren Gottesdienste zusammen riefen! Nicht feierlich und weihevoll! Nein, ganz anders! Wie in wilden Fieberfantasien schienen sie sich gegenseitig noch übertönen zu wollen. Schauerlich hallten die ehernen Klänge durch die Nacht und unwillkürlich mußte ich an die Worte des Dichters denken, wo es im Lied von der Glocke heißt: „Hört ihr’s wimmern hoch vom Thurm, das ist Sturm“.

Bald hatte sich eine Menge Volk vor der Kirche angesammelt. Wo dann der Ortsvorsteher durch den stellvertretenden Polizeidiener, Mathias Offermann (Scheid), bekannt machte, dass das erste Aufgebot des gedienten Landsturms einbefohlen sei und dass diejenigen, welche paßgemäß sich sofort zu stellen hätten, dies bis längstens Sonntags Morgens an dem Bezirkskommando in Montjoie tuen sollten. Die Übrigen aber nach Angabe Ihres Passes. Das war wieder eine aufregende Nachricht für alle, besonders aber für die davon betroffenen Vaterlandsverteidiger. Jetzt strömte jung und alt zur Wirtschaft Junkersdorff hinein, wo noch verschiedene gedruckte Formulare aufgehängt wurden mit allen möglichen Bestimmungen und Befehlen. Das gab ein Befragen und Gerede hin und her, ob in diesem oder jenem Paragraph auch der nicht geübte Landsturm gemeint sei oder nicht, und mancher der Letzteren glaubte schon, dass er auch bald absacken müsse. Gegen 12 Uhr erschienen schon 3 Reservisten, Mathias Scheidt, Josef Baumgarten und Anton Brüll, welche sich sofort stellen sollten, reisefertig in der Wirtschaft. Noch einige Glas Bier wurden zum Abschied getrunken, dann zogen die braven Streiter mutig unter frohem Gesang auf Montjoie zu. Am Sonntag Morgen rückten dann ca. 5 Landsturm-Männer aus, ihre Frauen und Kinder weinend zurücklassend. Auch noch einige Reservisten zogen ab. Den ganzen Tag über wurde nur von Krieg gesprochen, die unglaublichsten und schrecklichsten Geschichten wurden erzählt. Jedenfalls war manches davon sehr übertrieben oder ganz geschwindelt. Unter anderem wurde erzählt, dass der Uhrmacher „Grigalet“ aus Monschau als Spion entlarvt worden sei. Derselbe sollte nachmittags erschossen werden. Auch Vorpostengefechte mit den Russen sollten vorgekommen sein.

Reservisten und Landwehrleute , die sich in den nächsten Tagen stellen sollten, saßen in den Wirtschaften gruppenweise beisammen, Vaterlandslieder singend und von Heldentaten plaudernd, die sie im Krieg verrichten wollten. Weiter wurde bekannt, dass die Volksschulen geschlossen würden, damit die Kinder auf dem Lande an den Erntearbeiten helfen könnten. Am Montag, den 3. zogen wieder eine Anzahl Leute aus, meistens Ersatz, welche meistens Fuhrmann waren. Diese wurden mit Transporten zur Grenze geschickt. An diesem Tage wurde der Güterverkehr auf der Eisenbahn gesperrt. Sättel, welche ich Freitags dorthin geschickt hatte, bekam ich zurück. Auch am Dienstagmorgen mußten sich wieder einige Mann in Montjoie stellen. An diesem Tage fuhr ich vormittagsmit dem Rad nach Montjoie, um mir die Kriegsvorbereitungen mal anzuschauen. Dort traf ich noch die meisten von hier einberufenen Reserve- und Landwehr-Leute an. Es sollte ein kriegsstarkes Bataillon gebildet werden. Einige Hundert Mann standen auf der Chaussee nach Höfen zu und wurden hier in Gruppen verteilt. Auch ein paar Ersatzleute traf ich an. Die sagten, dass sie sehr beschäftigt seien mit Ausrüstungsgegenständen herbei zu schleppen und in Ordnung zu bringen. Zahlreiche Posten waren durch Montjoie aufgestellt. An diesen fiel die neue feldgraue Uniform und der verdeckte Helm auf. Alle Augenblicke wurden einem von diesen Posten die Papiere gefragt. Ich zeigte beständig meine Radfahrerkarte, was einstweilig noch genügte.

In Imgenbroich war an diesen Tagen Pferdemusterung. Die Straße durch den Ort war mit Pferden so stark besetzt, dass man kaum durch kommen konnte. Auch hier von Eicherscheid wurden 12 Pferde für den Kriegsdienst ausgehoben und gut bezahlt. Johann Küpper erhielt für sein Pferd mit Geschirr nicht weniger als 1456 Mark. Unterwegs wurde mir erzählt, dass der wegen Spionage verhaftete Grigalet aus Montjoie sich daselbst im Gefängnis erhängt habe. Am Abend wurde durch Ausschellen bekannt gemacht , dass alle wehrfähigen Männer von 17 bis 45 Jahren sich am 7. des Monats in Imgenbroich auf dem Bürgermeisteramte zu melden hätten. Hiervon wurde zwecks späterer Aushebung eine Liste aufgestellt. Am Mittwoch, den 5., hörte man den ganzen Tag hindurch in der Richtung nach der belgischen Grenze heftigen Kanonendonner. Wenn dies früher vom Truppenübungsplatz Elsenborn gehört wurde, so beachtete man es kaum. Wie ganz anders war es aber jetzt. Bei den schweren Schüssen schreckte man förmlich zusammen. Es war ja kein Übungsschießen mehr, nein Krieg und bittererErnst war es.

Ich war in der Brombach am Grasmähen und hing so meinen Gedanken nach. Wie mochte es gehen an der Grenze? Ob unsere Truppen dem französischen Ansturm widerstehen konnten? Von unseren Soldaten waren ja die meisten noch nicht da. Oder würde unsere Gegend bald, vielleicht schonMorgen, von Franzosen überflutet sein? Was dann? Doch nein, soweit wird es wohl nicht kommen. Wenn auch an Zahl geringer, so würde doch die altbewährte Tapferkeit unserer deutschenSoldaten den Feind zurückhalten.

Als ich abends nach Hause ging, erzählte man mir in der Kuhl, dass die belgische Festung Lüttich beschossen worden sei. Belgien kämpfte mit auf französischer Seite. Ich fragte bei Gillehsen (jetzt Haus Kell) an, ob er mir Morgen Heu holen könnte. Ja, sagte der, ich würde das Heu aber an deiner Stelle draußen lassen, wenn es sollte schief gehen an der Grenze, so dass die Franzosen herüber kämen, dann wäre das Heu im Feld sicherer wie im Hause. Ich hielt jedoch solche Bedenken für übertrieben und fuhr ein.

Auch am Donnerstag 6. hörte man vereinzelt noch Schüsse. Heute kam der Schwager Paul Jansen von der Musterung zurück. Er war als dienstuntauglich befunden worden und darum entlassen. Vormittags wurde der Postverkehr bis auf Pakete und Postanweisungen eingestellt. Wenn’s mal gut ging, bekam man auch mal eine Zeitung, meist jedoch nicht. Am Abend kam der Ersatzmann Andreas Küpper zurück. Derselbe war mit einem Transport Pferde nach Metz gewesen. Er sagte, es wären viele Ersatzleute nach Hause geschickt worden. Hörte, dass die Deutschen Lüttich eingenommen hätten. Die Stadt und einige umliegenden Dörfer seien in Brand geschossen worden.

Freitag 7. fuhr ich nach Simmerath. Dort war die Chaussee gesperrt mit Telegrafenstangen. Ein Simmerather stand davor auf Posten. Am Arm trug er ein weißes Band. In der Hand sein Jagdgewehr. Am daneben liegenden Hause standen noch 4 Mann mit Gewehren, wahrscheinlich zur Ablösung. Mir wurden die Papiere gefragt, ich zeigte meine Karte, worauf die Wache mir erzählte, dass sie hauptsächlich wegen fremder ausländischer Autos hier stehen müßten; jedes Auto wurde angehalten. Es sollten französische Autos mit Gold für Rußland bestimmt, durch Deutschland kommen, darum wurde überall danach gefahndet. Samstag 8. und Sonntag 9. kamen wieder 4 Ersatzleute und der Schneider, Mathias Hüpgens zurück. Letzterer mußte sich aber am 17. des Monats wieder in Cöln stellen.

Fast jeden Tag hörte man auf die Grenze zu schießen. Man sagt, dass die aus Belgien ausgewiesenen Deutschen dort unmenschlich behandelt worden seien. Auch ein Eicherscheider, der lange Jahre in Belgien gewohnt hatte, kam von dort zurück. Paul Hoch, so hieß er, versicherte, dass er nach mancherlei Unbilden, welche er erdulden mußte, sein ganzes Hab und Gut verloren hätte, und, wie ihm, so hätte es Tausenden anderen auch ergangen. Auch wurde erzählt, dass die belgische Zivilbevölkerung von manchen Orten meuchlings auf unsere Soldaten geschossen hätten. Wo dies jedoch geschehen sei, da wären diese Orte von unseren Truppen ohne Rücksicht zusammen geschossen worden. 

Am Sonntag 9. war 13 stündiges Gebet, um den Segen Gottes für den gegenwärtigen Krieg zu erflehen. Wie ich hörte, haben die umliegenden Orte fast täglich Einquartierung von durchziehenden Truppen. Auf der Post werden seit gestern wieder Briefe befördert, jedoch nicht ins Ausland. Montag 10. wieder Kanonendonner. Morgens kamen mehrere Flugmaschinen hier herüber auf die Grenze zu. Dieselben wurden sehr angestaunt, obschon sie in ziemlicher Höhe flogen. Zuerst hörte man das Surren der Motoren, dann bemerkte der Beobachter vom Boisch herüber einen dunklen Punkt, der dann rasch näher kam. In der Sonne blitzte das Metall und man konnte deutlich Ein-und Zwei-Decker unterscheiden. Für uns war dieser Anblick etwas Neues, da man hier noch keine Flugmaschine gesehen hatte, nur einmal einen Zeppelin. Die ganze Woche hindurch hörte man fast täglich schießen und öfters auch den munteren Gesang der auf der Chaussee daherziehenden Truppen. Einer der Flieger kam mal direkt über unser Haus hin und ging so tief, dass man die Propeller und den Insassen gut sehen konnte. Es war wie eine große Taube, unter den Flügeln auf weißem Feld ein schwarzes Kreuz. Einige male sah ich eine in einiger Entfernung kreisen und dann wieder gehen. Später erfuhr ich, dass zwischen Rohren und Höfen im Felde ein Flugplatz eingerichtet worden sei, wo die Flieger anführen und landeten. Einige Haferfelder, die hinderlich waren, wurden gekauft und dann gemäht. Nach etlichen Tagen aber hörte man nichts mehr von ihnen. Alle waren nach Frankreich zum Kriegsdienst. In Imgenbroich und in Conzen sollen an einem Tage bis 2000 Mann einquartiert gewesen sein; in Roetgen sogar an einem Tage 7000-8000.

Am Sonntag dem 16. wurde eine Hauskollekte gehalten, zur Pflege verwundeter Krieger. Landwirtschaftlich wäre zu verzeichnen, dass wir Ende Juli ein Kalb verkauft hatten, welches bis zum 5. August fortgehen sollte. Das Tier wurde aber nicht abgeholt und wir hörten auch von dem Händler nichts mehr. In der Werkstatt hatte ich 1 Dtzd. Sättel zum Versand fertig und außerdem noch 6 Stück, welche am 31. Juli an der Bahn nicht mehr angenommen wurden. Doch der Güterverkehr war noch immer gesperrt. Die Kunden, von denen sonst noch Bestellungen vorlagen, meldeten garnichts mehr, es schien, als ob sie nichts mehr nötig hätten. Am 16. wurde bekannt gemacht, dass die Jahrgänge 1889 – 1896 sich am Mittwoch zur Aushebung zu stellen hätten. Von 34 Gestellungspflichtigen  wurden 26 zum etwaigen Kriegsdienst ausgehoben. Dieselben brauchen aber noch nicht einzutreten. Aus den Städten soll der Ersatz schon eingezogen sein. Wegen Berücksichtigung der Ernte soll der Ersatz auf dem Lande erst später heran geholt werden.

Da ein Staat nach dem anderen  uns den Krieg erklärt, so gibt es unter den Leuten hier und da ängstliche Gemüter, welche glauben, dass der Allerweltskrieg der Anfang vom Weltende sei. Ich schließe mich diesen Schwarzsehern einstweilig noch nicht an. Meine Schwester Josefina im Kloster der Franziskanerinnen in Aachen schreibt, dass sie ca. 90 Verwundete dort in Pflege hätten. Täglich gingen Geheilte ab und noch mehr neue kämen an. In der Landwirtschaft steht man schlecht, weil man, da so viele Pferde fort sind, oft gar keinen Fuhrmann kriegen kann. Wie ich hörte, steigen die Preise für Pferde bedeutend. Nach Rindvieh ist jedoch wenig Nachfrage. Am 23. dröhnen wieder die Kanonen besonders stark. Die Zeitungen bringen Sieg auf Sieg von Ost und WestDer gütige und gerechte Gott verleiht unseren Waffen sichtlich seinen Segen.

Am 1. September wurde unser Nachbar Anton Heck zu Grabe getragen. Der Kriegerverein, welcher sich am Begräbnis beteiligte, war nur schwach vertreten, da mehr als die Hälfte der Mitglieder im Kriege war. Im ganzen sollen 42 Mann eingezogen sein. 9 Mann von hier, welche an der Bahn Posten stehen, waren zum Begräbnis erschienen, in Kriegsuniform und Gewehr, geführt von Unteroffizier Wilden. Am Grab wurde präsentiert. Auch später kamen die Landsturmleute öfters auf ein paar Tage in Urlaub. Am 5. hörte ich, dass der Güterverkehr auf der Bahn wieder aufgenommen sei. Da wegen der Gütersperre an meinem Handwerk nicht viel zu machen war, so arbeitete ich an der Landwirtschaft für uns und andere.

Es wird gesagt, dass Leonhard Kaulard und Heinrich Kaulard leicht verwundet seien. Der erste am Fuß, der andere am Arm. Ein anderer Streiter von hier soll geschrieben haben, dass sie außer Einem noch alle beisammen wären. Ob dieser Eine nun tot oder gefangen ist, weiß man nicht. Der Güterverkehr auf der Bahn hat bloß ein paar Tage gedauert und sich auch nur auf das allernotwendigste beschränkt. Holzsättel kann ich noch immer nicht fortkriegen. Von den Kunden höre ich noch immer nichts.

Am Sonntag, dem 13. kam von Lammersdorf ein Herr Wilden, Brot, Fleisch oder Butter fürhungernde Krieger sammeln. Er trug das Armband des roten Kreuzes. Am Bahnhof in Lammersdorfwurden seiner Aussage gemäß die durchfahrenden Soldaten gespeist, er führe aber auch mit seinem Auto bis zur Front nach Frankreich oder Belgien. Wilden brauchte nicht lange zu bitten und konnte bald mit seinem mit Lebensmitteln beladenen Auto abfahren. Nach der Andacht fuhr ich mit dem Rad nach Lammersdorf, um mir die Sache mal anzusehen. Als ich zum Bahnhof kam, hielt da ein langer Zug mit Trainsoldaten, welche aber ihre Butterbrote verzehrt hatten. Kaum war der Zug abgefahren als auch wieder ein anderer einlief, ebenfalls mit Trainsoldaten. Sobald der Zug hielt, kamen aus dem Bahnhofsgebäude wohl ein Dutzend Mädchen oder Frauen mit Körben, die hoch mit Butterbroten beladen waren, gingen an der Waggonreihe vorbei und teilten aus. Andere hatten ganze Eimer voll Kaffee und reichten jedem eine Tasse hin. Noch 3-4 Züge kamen an und es wiederholte sich die Fütterung von neuem. Dass der Hunger der Soldaten nun gerade arg war, das wollte mir nun doch nicht einleuchten, denn ich bemerkte wohl in jedem Zuge, wie hier und da ein Soldat eine dargebotene Zigarre dem Butterbrot vorzog. Wie schon erwähnt, bestanden die Transporte heute alle aus Train. Auf einer Reihe flacher Waggons standen auf jedem von diesen ein Heuwagen, welche dem Train als Transportwagen dienten. Aus diesem Umstande sowohl wie auch an den Vollbärten der Soldaten konnte man sehen, dass es Reserve und Landwehrmänner waren. Und dann kamen die Viehwagen mit den Pferden und Soldaten. An jeder Seite des Wagens waren 2 Pferde angebunden und in der Mitte dazwischen kampierten die Soldaten. Am Bahnhofe hatte sich eine Menge Neugieriger eingefunden, welche sich auch mehrfach mit den Soldaten unterhielten. Ich fragte einen derselben, wo es denn nun eigentlich hinginge. Ja, erwiderte der, ob es nach Rußland oder nach Belgien geht, wissen wir selbst nicht, wir sind schon 3 bis 4 Tage auf der Bahn gefahren und sind dessen schon herzlich satt. Sie kämen aus der Gegend von Sedan her, wo man nur verlassene und mehr oder weniger verbrannte und zerstörte Dörfer und Städte sehen würde. In den Nachbarorten waren ebenfalls Lebensmittel gesammelt worden und auch von hier aus ging Montags nochmals eine Fuhre nach Lammersdorf ab.

Bis zum 19. (Anm.: September 1914) war der Güterverkehr noch immer gesperrt. Der Postwagen kam auch nicht mehr. Der hiesige Postverwalter war abgereist. Die Zeitungen kamen sehr unregelmäßig oder blieben sogar ganz aus. Letzteres empfand man besonders unangenehm, weil man begreiflicherweise auf die Ereignisse vom Kriegsschauplatz so sehr gespannt war. Aus diesem Grunde erhielten viele Leute eine Tageszeitung, die früher kaum das Montjoier Volksblatt lasen. Die Postsachen wurden mit einem Auto, welches zwischen Düren, Aachen und St. Vith verkehrte, befördert. Da dieses Unternehmen aber, wie mir gesagt wurde, privater Natur war, so ging es eben so wie es konnte. Es war eine traurige Zeit. Das vorhin andauernd gute Wetter hat sich seit dem 12. in Regen und Sturm verwandelt. Jedoch war die Ernte bis heran als gut zu bezeichnen.

Hörte in diesen Tagen, dass wieder zwei von unseren Kriegern verwundet seien. Es waren dies Johann Claßen und Richard Schröder. Claßen hatte eine leichte Wunde am Arm, Schröder eine Kugel im Knie. Auch der Unteroffizier Matthias Scheidt hätte von einer Granate was mitgekriegt. Einer von Huppenbroich, Andreas Kessel, sei auch verwundet nach Haus gekommen und hätte erzählt, dass auch Josef Baumgarten von hier schwer verwundet sei, möglicherweise auch Jacob Huppertz. Eine Granate hätte direkt bei Josef Baumgarten in den Schützengraben eingeschlagen. Ein Splitter davon hätte ihn am Kopf verwundet, er hätte noch gesehen, dass Baumgarten zusammengefallen sei, bevor er selbst ohnmächtig geworden wäre, aber auch Huppertz müsse getroffen sein.

Am 19. (September 1914) kam der Vater Baumgarten zu mir und sagte, dass sein Sohn Josef tot sei. Mathias, der 2. Sohn, hätte aber eine Karte geschickt. Die Karte, die ich gelesen, hatte folgenden Inhalt: Mein Bruder Josef ist nun tot. Während dem Rosenkranzgebet im Schützengraben, wurden ihm beide Beine abgeschossen. Er wußte noch nicht gleich, dass er beide Beine verloren hatte. Bald darauf starb er. Auch Jacob Huppertz war bei ihm und ist am Bein getroffen. Der alte Mann war wohl etwas niedergeschlagen ob dieser plötzlichen Trauerkunde, aber doch nicht verzagt. Er hatte im Leben so vieles Herbe durchmachen müssen, so dass er gelernt hatte, sich in das Unvermeidliche in das Geschick Gottes ohne Klagen zu fügen. Das war also das erste Opfer, welches der Krieg aus unserem Orte forderte. Ob wohl auch das Letzte? Dies darf man kaum hoffen bei den mörderischen Waffen der Jetztzeit und der vielen Feinde, die unser Vaterland von allen Seiten bedrohen.

Am 22. war das Exequiem für Josef Baumgarten. Der Kriegerverein beteiligte sich daran. Die Tumba war mit einem Kranz aus Eichlaub geziert. Der Pfarrer hielt eine ergreifende Ansprache, so dass manchen in der gut besetzten Kirche die Tränen in die Augen traten. Der Kirchenchor sang ein 3 stimmiges Requiem, wodurch die Feier sehr gehoben wurde. Es konnte auch nicht leicht zu viel getan werden, denn wer sein Leben für andere dahin gibt, der hat es gewiß verdient, im Tode geehrt zu werden.

Am Sonntag, dem 20. September 1914 wurde bekannt gemacht, dass sogleich eine Fuhre mit Liebesgaben zum Bahnhof fahren sollte. Auch Zigarren  und Tabak könnten geschenkt werden. Aus der Gesangsprobe kommend gab ich am Consum noch ein paar Päckchen Tabak mit. Es wurde gesagt, dass XIII. und XIV. Armeechor käme durch und führe nach belgien. Glaube aber, dass dies nur Vermutungen sind, da die Heeresleitung so etwas nicht bekannt werden läßt. Heute fuhr mein Bruder Josef und Heinrich Schröder nach Aachen, um Richard, der dort im Krankenhaus war, zu besuchen. Josef erzählte mir, dass Richard munter und guten Mutes sei. Die Kugel stecke unterhalb der Kniescheibe im Bein. Der Arzt hätte sie noch nicht heraus gezogen. Richard hätte jetzt nicht mehr viele Schmerzen, nur könne er das Bein nicht biegen. Beim Abschied hätte er sie noch bis auf die Straße begleiten können. Von Heinrich Kaulard, der im Lazarett in Siegburg liegt, erhielt ich als Antwort einen Brief, worin er mitteilt, dass es ihm jetzt besser gehe und er vielleicht bald nach Hause käme. Einen langen Brief könnte er nicht schreiben, da er wegen der Wunde am rechten Arm links schreiben müsse und außerdem noch zu Bett liege.

Am 20. und 21.09.1914 hörte man in Richtung Belgien starkes Schießen. Diese hielt die ganze Woche mehr oder weniger an. Donnerstags nach Mittag erscholl plötzlich unten im Dorf lauter Gesang. Ich schwang mich auf  mein Fahrrad, um dort mal zu sehen, was da eigentlich los sei. Ich staunte, als ich mich auf der Breitestraße plötzlich einer Abteilung Soldaten gegenüber sah. Doch gleich bemerkte ich dabei bekannte Gesichter. Das ganze war nicht anders als die Landsturmkompanie Montjoie, dabei auch mehrere Eicherscheider. Diese hatten zur Abwechslung einen Ausflug nach Hammer gemacht, hatten sich Mittags dort einquartiert und gingen nun hierdurch wieder nach Montjoie zurück. Das Landsturmbattailönchen machte einen ganz gemütlichen kriegerischen Eindruck. Hatten belgische Tornister. Am 27.09. war bekannt gemacht worden, dass am Montag Morgen nochmals eine Fuhre nach dem Bahnhof Conzen gehen sollte. Die Häuser von Nr. 1 – 72 sollten sich mit dem Spenden der Liebesgaben betätigen.

Am Montag, dem 28. erhielten die Angehörigen des Jakob Huppertz einen Brief von demselben. Der Brief war aus dem Lazarett bei Sedan aus geschrieben. Jakob teilt darin mit, dass man ihm den verwundeten Fuß bis zur Ferse abgesetzt hätte; er hätte sehr viel Schmerzen ausgestanden und aus der Front einen langwierigen Transport mitgemacht habe. Für die Nacht waren sie meistens in Scheunen untergebracht worden und bei jedesmaligem Ausladen seien schon wieder ein paar Kameraden tot gewesen. Er sollte weiter nach Deutschland geschafft werden, sobald es anginge und würde dann von da an wieder schreiben.

Oktober am 1. (1914) kam Leonhard Kaulard in Urlaub. Derselbe erzählte, dass er bei Sedan verwundet worden sei. Während er knieend einen Kameraden verbunden habe, sei ihm eine Kugel durch die Sohle in den Fuß gedrungen. An die 60 Verwundeten hätten noch den ganzen Tag im Feuer liegen müssen, weil es zu gefährlich war, um fortgeschafft zu werden. Sie hätten Anfangs strenge Marschtage gehabt, oft ganze Nächte hindurch . Der Verwundete hinkte ein wenig, ging aber doch meistens seiner Arbeit nach.

Bis zum 11. Okt. hörte man fast täglich die Kanonen dröhnen. Eine Depesche vom 10. besagte, dass Antwerpen gefallen sei. Dieser starken Festung hatte also die furchtbare Sprache der Kanonen gegolten. Leonhard Kaulard mußte sich in Montjoie beim Arzt untersuchen lassen. Dieser stellte ihm noch einen Monat Urlaub aus. Auch von Mathias Scheidt erhielt ich auf mein Schreiben die Antwortkarte zurück. Dieser schrieb, dass er noch wohl und munter sei, nur der Tabak fehlte. Meine Schwester Anna beeilte sich, 2 Päckchen zu schicken. Vetter Alois aus Rohren schrieb von dort, dass er wegen überstandener Krankheit beurlaubt sei.

Da auf der Bahn noch immer keine Güter angenommen wurden, so schickte ich am Mittwoch, 7. Okt., 1 Dtzd. Sättel mit dem Fuhrmann Heinrich Küpper nach Aachen. Am 9. hörte ich, dass auf der Eisenbahn wieder kleine Posten Güter transportiert werden würden und sandte darum sogleich Sättel nach Hagen ab. In diesen Tagen wurde bekannt, dass Math. Baumgarten, der Bruder des Gefallenen, verwundet worden sei und bei Köln im Lazarett liege. Auch manche aus den Nachbarorten seien tot oder verwundet. Der verwundete Kessel aus Huppenbroich mußte sich wieder, da er als geheilt angesehen wurde, beim Ersatzbattailon in Köln stellen.

Am Sonntag dem 11. Okt. sollte uns eine Überrachung beschieden sein. Gleich nach der Andacht fuhr ein Auto bei Junkersdorff vor, dem 2 Soldaten entstiegen. Frau Junkersdorff begrüßte einen sehr freundlich und lud ihn ein doch mal herein zu kommen. Dieser trug den linken Arm in der Binde. Während das Auto wieder davon fuhr, erzählte das Söhnchen des Wirten mir, dass Johann Schrödergekommen sei. Da auch dessen Vater und Bruder bereits auf der Straße erschienen, so ging ich mit ihnen, um den angekommenen Krieger zu sehen. Johann hatte sich einen dichten Vollbart wachsen lassen und man konnte ihm absehen, dass in den Schützengräben von Seife und Frisierartikeln nicht viel die Rede war. Er erzählte, dass er am Donnerstag Abend mit der Schaufel auf der Schulter in den Schützengraben hätte steigen wollen, als ihm eine Kugel 2 Finger der linken Hand abgerissen hätte. Darauf war er zurückgegangen, hatte seine Verwundung gemeldet und dann die Fahrt zwischen Reims und Verdun aus bald mit der Eisenbahn, bald mit dem Auto über Namur bis Aachen zurück gelegt. Da er von Walheim aus keinen Zug mehr kriegen konnte, so sei er entschlossen gewesen, die Strecke bis hierher zu Fuß zurück zu legen. Unterwegs habe aber der Insasse des Autos ihn gerufen und da dieser ein wohlwollender Offizier war, so hätte der ihn direkt nach Hause gefahren. Schröder wurde natürlich von allen Seiten mit Fragen bestürmt und erzählte dann auch viel von seinen Erlebnissen und von den Schrecken des Krieges. Montags mußte er zum Arzt gehen. Dieser verordnete ihn ins Krankenhaus zu Simmerath.

Am 13. besuchte ich unseren Vetter Alois in Rohren. Er hatte in Frankreich Lungenentzündung gehabt und war, nachdem er transportfähig war, auf einige Wochen nach Hause  beurlaubt worden. Am 14. kam Heinrich Kaulard aus dem Lazarett von Siegburg nach Hause. Derselbe trug den verwundeten Arm noch in der Binde. Am 15. meldete er sich in Montjoie, blieb dort im Krankenhaus bis Sonntag, wo er wieder hier war. Dann sollte auch er nach Simmerath in Pflege kommen, konnte aber gleich Schröder tagsüber öfters zu Hause sein.

Am 16. erhielt ich einen sehr interessanten Brief von Math. Scheid, den er im Unterstande des Schützengrabens, umsaußt von feindlichen Kugeln und Granaten, geschrieben hatte. Der Brief war trotzdem stellenweise recht witzig und zeugte also, dass der Schreiber noch guten Mutes war. Vom 18. an hörte man noch öfters das ferne Rollen und Grollen der Kanonen. Schon daran konnte man hören, dass unsere Truppen immer weiter in Frankreich und Belgien vorgingen.

Am 19. Okt. stiegen die Preise für fette Schweine plötzlich von 42 – 43 Pfennig Lebend-Gewicht auf 60 – 65 Pfg. per Pfund. Dieser Preis war wohl nie erreicht worden. Am 21. war ich auf dem Simmerather Markt. Es waren nicht viele Buden da, höchstens halb so viel wie sonst. Wollene Kleidungsstücke waren kaum zu haben. Nur viele Soldaten sah man dort, Landsturmleute und Verwundete.

Am 27. kam Richard Schröder aus dem Lazarett von Aachen. Er stellte sich zur Untersuchung in Montjoie und wurde ebenfalls nach Simmerath verwiesen, wo also jetzt die Gebrüder Schröder und Heinrich Kaulard sind. Leonhard Kaulard ist noch immer hier und kann teilweise seine Arbeit verrichten. Am 28. hörte ich das Hubert Förster auch nach Hause gekommen sei. Derselbe hatte 2 Schüsse erhalten. Einen im Arm, den anderen im Bein ohne jedoch gefährlich zu sein. Hatte ein paar Wochen Urlaub erhalten. In der letzten Zeit regnete es viel, so dass auch die armen Soldaten im Felde einen schweren Stand haben, besonders in den kalten und feuchten Nächten im Schützengraben und auf Posten. Vom 1. bis 8. November war recht schönes Wetter. An den meisten Tagen hörte man wieder die Kanonen reden. Hubert Förster ist noch immer hier. Er trägt die blaue Uniform und wird, da er fast ganz hergestellt ist, bald wieder fort müssen.

Am 8. November veranstaltete der Pfarrer (Anm.: Pfarrer Joseph Loogen) einen Volksvereins-Abend im Saale der Wirtschaft Kaulard (Anm.: „Martinsches“). Das Programm bildete der jetzige Krieg. Der Herr Pfarrer leite mit einem diesbezüglichen schönen Vortrag ein, dann folgten abwechselnd Gedichte und Lieder, vorgetragen von Kindern und Chorsängern. Der erste Teil derselben bezog sich auf die Mobilmachung, das einmütige Erheben unseres ganzen deutschen Volkes, dem Abschied unserer tapferen Krieger von Haus und Herd und der Abschiedstränen der zurückbleibenden Eltern und Angehörigen. Im zweiten Teil wurde dem geistigen Auge der Zuhörer eine Schlacht mit all ihren Schrecken vorgestellt. Das Lied: Gebet vor der Schlacht, welches 3 stimmig, vorgetragen wurde, war besonders erhebend. Der Inhalt desselben zeigte so recht, wie selbst die gewaltigste Schlacht ihren Schrecken verliert, wenn der Krieger mit starkem Gottvertrauen in den Kampf zieht. Weiter folgte ein Vortrag, gehalten von Kaulard (Isaak), welcher uns an Hand einer Landkarte auseinander setzte, warum in der jetzigen Kriegszeit der Bezug von ausländischen Getreidearten und Rohstoffen schwierig oder gar oft unmöglich sei. Nach der Schlacht, so hieß der dritte und letzte Teil der Vorführung, der uns in Wort und Lied einerseits zwar Tod und Wunden, andererseits aber auch lauter Jubel und Siegesfreuden kundgab. Mit dem gemeinschaftlichen Lied: Heil dir dem Siegerkranz, schloß die so schön verlaufene Versammlung. Die Gedichte waren meistens aus den Zeitungen zusammen gesucht worden.

Am 09. Nov. kam auch der verwundete Mathias Baumgarten hier an. Obschon, wie er sagte, seine Wunde in der Seite noch nicht ganz geheilt war, sah er doch ziemlich gut aus. Ging dann ebenfalls nach Simmerath ins Krankenhaus. Am 10. erhielt Bruder Josef den Gestellungsbefehl als Ersatzreservist. Er wurde der jüngste Ersatzmann von hier und also der erste von diesen, der vom hiesigen Orte eingezogen wurde. Er soll sich am Samstag, dem 14. des Monats 1/2 10 Uhr in Montjoie melden. Am 12. mußte sich der verwundete Leonhard Kaulard nach voraufgegangener ärztlicher Untersuchung in Köln beim Ersatzbataillon melden. Derselbe hinkte zwar noch immer etwas, obschon die Wunde am Fuße längst geheilt war. Ob er wieder nach Frankreich muß? Möglicherweise wird er nur noch im Garnisondienst verwendet.

Auch Johann Kaulard (Amtsrichter, Sohn vom Uhrmacher) kam an diesem Tage zu kurzem Urlaub hier an. Der Urlaub war ihm zu seiner Erholung bewilligt worden. Er hatte als Unteroffizier mit in Belgien bei Antwerpen gestanden und zuletzt in Flandern im Überschwemmungsgebiet mitgekämpft. Derselbe äußerte sich, dass er nur wünschen täte, nicht mehr dorthin zu müssen; da sei es fürchterlich hergegangen.

Sonntag, dem 14. Nov. begleitete ich meinen Bruder Josef nach Montjoie. Auch Vetter Josef Niehsen ging mit. Obschon der Abschied ewas schwer schien, war Josef doch guten Mutes. Galt es ja doch für’s geliebte Vaterland zu dienen und zu streiten. Und die Liebe zum Vaterland ist einem jeden von uns nie deutlicher zum Bewußtsein gekommen, als gerade jetzt im Kriege. In Montjoie waren bald im Kasernenhof so ca. 150 Ersatzleute beisammen. Sie wurden verlesen und ihnen gesagt, dass sie nach Köln befördert würden. Um 11 Uhr Marsch zum Bahnhof. Hier ein letztes Händedrücken zum Abschied, dann sprangen die munteren Ersatzleute in den inzwischen eingelaufenen Zug. Josef in einen Waggon II. Klasse, wohl in dem Gedanken, es sich vor Antritt des Dienstes noch mal möglichst bequem zu machen. Dann dampfte der Zug mit den neuen Vaterlandsverteidigern davon. Nach einigen Tagen schrieb Josef, dass er sich schon gut eingelebt hätte. Der Dienst sei nicht zu streng und meistens sogar sehr interessant, weil fast täglich neue Übungen gemacht würden; hätte noch immer guten Appetit.

Wer in der jetzigen Zeit zum Konsum oder zum Kleinhändler geht, mußte seine Geldbörse gut versehen, da die Puttikwaren stets im Preise stiegen. Im Nov. fing Petroleum  an rar zu werden. Als der Wagen im Kosum abgesezt hatte, erhielt jedes Mitglied nur 4 Liter. Damit sollte man den Monat hindurch auskommen. Am 20. gelang es uns, nochmal einen Liter zu kriegen. Öfters brannten wir abends eine Kerze. Sogar die alte Tranlampe, welche vor 20-30 Jahren außer Dienst gesetzt wurden, wurde wieder heraus gesucht und gebraucht. Diese Nothelfer setzten zwar ein klägliches Licht ab, aber es war doch besser wie gar keins.

Am 24. Nov. kam endlich Nachricht von dem verwundeten Jakob Huppertz, nämlich dass er schon am 28. September im Lazarett bei Sedan gestorben sei. Am 28. war ein Ex.-Amt für ihn. Außer dem Kriegerverein und den 4 verwundeten Soldaten von hier waren ca. 20 Soldaten vom Simmerather Krankenhaus gekommen, um dem Seelenamt für ihren toten Kameraden beizuwohnen. Der Kirchenchor verschönerte die Feier durch ein 3-stimmiges Requiem. Aus dem Ame nach Hause gekommen, erfuhr ich auf der Post, es sei soeben ein Telegramm gekommen, dass Mathias Kaulard im Lazarett an Typhus gestorben sei. Also mithin schon das dritte Opfer, das der Krieg aus unserem Orte forderte. Bruder Josef schreibt von Cöln, dass sie zu 10 Mann in einem Zimmer eines Privathauses am Hahnentor kampierten. Sie wären alle wohlgemut und sängen oft vor dem Schlafengehen noch lustige Lieder. Am 27. hätten sie den Fahneneid abgelegt, ausreißen gäb es also jetzt nicht mehr. Vielleicht kämen sie am 8. Dez. nach Düren zu liegen, das er bald nach Hause käme, wenigstens für einige Zeit.

Am 28. Nov. (1914) erhielten auch die Ersatzleute Johann Niehsen, Andreas Küpper und Martin Brüll den Befehl, sich am 1. Dez. in Montjoie zu stellen. Das war also in gut 12 Tagen. Am Sonntag, dem 29. Nov., kam Math. Scheid schon an. Das gab ein freudiges Wiedersehen. Seine Verwundungen waren zwar verheilt aber er war hochgradig nervöß, warum er auch beurlaubt werden mußte. Er erzählte uns viel von seinen Kriegserlebnissen, von langen und bangen Stunden im feindlichen Artilleriefeuer, durch das sie hindurch gemußt; von der Not der Bevölkerung der dortigen Gegend. 1. Dezember.

Heute, morgens 8 Uhr , mußten sich die Ersatzleute Niehsen, Küpper und Brüll in Montjoie stellen. Dieselben kamen alle wieder zurück und sagten, dass sie noch um einige Wochen zurück gestellt worden seien. Sie wären zu 500 Mann in Montjoie gewesen; 200 nur Garnison-diensttauglich seien nach Eschweiler abgegangen. Die anderen 300 Felddiensttaugliche seien einstweilig wieder nach Haus geschickt worden.

Am 2. Dez. war um 8 Uhr Exequien-Amt für Math. Kaulard. Auf näheres Übereinkommen der einzelnen Vereine versammelten sich diese diesmal am Wohnhause des Verstorbenen, das war der Kriegerverein mit einer noch größeren Anzahl Verwundeter aus Simmerath, der Kirchenchor, dessen Mitglied der Verstorbene war (1. Tenor), gleich hinter dem Kriegerverein mit der Vereinsfahne und die freiw. Feuerwehr in Uniform. Leonhard Kaulard, welcher wie schon angegeben, jetzt wieder in Cöln steht, war ebenfalls zu der Trauerfeier erschienen. Derselbe war Hauptmann der Feuerwehr und darum telegraphisch von dem Tode ihres Mitgliedes benachrichtigt worden. Darauf hin hatte man ihm ein paar Tage Urlaub bewilligt. Der Chor sang unterwegs 4 St. Miserere. Beim Amt 3 St. Messe. Die Feuerwehr ehrte das Andenken ihres verstorbenen Kameraden, in dem sie an der Tumba einen prächtigen Kranz niederlegten. An der Trauerfeier beteiligten sich 150 Personen.

Josef Arnolds, Mathias Carl, Johann Förster (Buschgasse) und Arnold Jansen gingen heute zur Aushebung. Der erste wurde wegen einer Verrenkung am Knie zurück gestellt. Die anderen drei wurden als tauglich erkannt und ihnen gesagt, daß sie bald  einberufen würden. Am 3. Dez. mußten die bisher an den Bahnstrecken stehenden Landwehrmänner Heinrich Förster, Wirt Hubert Kaulard (Breitestraße) und …. (2 Seiten fehlen!)….. die Bahn verlassen in Conzen und sich in Walheim anmelden. Wie es hieß, sollten von dort eine Anzahle Landwehrleute zum Ersatzbataillon Cöln abgehen. Kaulard war mit Rücksicht auf die Postagentur, welche er von Conzen aus bisher noch teilweise verwaltet hatte, bisher noch verschont geblieben. Wie soll es denn nun für die Folge auf unserem Postamte zugehen? Wahrscheinlich noch schlechter als bisher. Oder ob das Ganze aufgehoben wird? Dagegen würden wir aber energisch protestieren. Bruder Josef schrieb heute, daß er auf der Fahrt nach Elsenborn wäre. Sie seien in Düren nur 3 Tage gewesen und wären dort in Feldgrau gekleidet worden, hätten neue Stiefel bekommen und Gewehre. Er hoffte, daß wir ihn in Elsenborn besuchen würden.

Am 3. Dez. wurde außer der kirchlichen Feier das St. Lucienfest ziemlich still begangen. Wohl waren hier und da Gäste zu sehen, aber das Ganze hatte doch infolge der Kriegszeit ein mehr ernstes und stilles Gepräge. Es wurde mir erzählt, dass Johann Niehsen aus unserem Orte an seine hier noch wohnende Mutter geschrieben habe aus Rußland. Niehsen dürfte schon in den vierziger Jahren stehen und war mit anderen Altersgenossen von Aachen nach Rußland beordert worden.

Am 14. (1914), dem Lucienmontag, fuhren mein Bruder Mathias, Schwager Paul, Vetter Josef Niehsen und ich nach Elsenborn, um Josef in seinem neuen Stande zu sehen und zu besuchen. Gegen 1/2 11 Uhr kamen wir im Lager an. Nachdem wir uns in einer Kantine an Speise und Trank gelabt hatten, suchten wir uns zunächst Baracke 62, wo Josef kampierte. Da das Militär zu Felddienstübungen ausgerückt war, so trafen wir ihn nicht an, erfuhren aber, dass die Soldaten vor 12 Uhr zurück kämen. Während dieser Zeit wollten wir uns das Lager mal ansehen. Noch garnicht weit gekommen, stellte uns schon ein Gendarme zur Rede. Er verlangte unsere Papiere zu sehen. Glücklicherweise hatten wir unsere Pässe bei uns und uns auch beim Eintritt ins Lager mit einer Lagerkarte versehen. Das müssen Sie sich schon gefallen lassen, sagte der Wachtmeister. Es laufen nämlich viele Franzosen hier in Deutschland herum, die mit Papieren von gefallenen deutschen Soldaten ausgerüstet sind und betreiben auf diese Weise Spionage. Darum sei besonders an solchen Stellen wie hier die größte Wachsamkeit geboten. Damit konnten wir weiter gehen. Draußen auf einer Anhöhe sahen wir schon, wie ein Trupp Soldaten Felddienstübungen machte. Dahin gehen durften wir nicht. Eine Kompanie kam auch schon heimwärts gezogen, andere folgten. Bald kamen sie von allen Seiten, muntere Marschlieder singend, zum Lager zurück. Wir stellten uns an eine Kreuzung des Weges um nach dem Bruder Ausschau zu halten. Da, endlich bei einer der zuletzt einrückenden Companien entdeckten wir ihn. Strammen Schrittes kam er heran und winkte uns freudig zu. Nachdem die Compagnie sich aufgelößt hatte, nahm Josef uns mit in seine Bude. Hier erzählte er uns alle seine Erlebnisse von Cöln, Düren und Elsenborn. Wir freuten uns über seinen guten Mut und gesundes Aussehen. Dann tat er dem von uns mitgebrachten Gebäck alle Ehre an. Hierauf rief der Unteroffizier zum Essen holen. Es gab heute Graupensuppe mit Speck. Auch wir probierten mal an dieser Soldatenkost und fanden das Essen garnicht übel. Derweil war auch der Unteroffizier Mathias Brüll, ein Schulkamerad meines Bruders, zu uns gekommen. Da derselbe zur Zeit ebenfalls in Elsenborn stand und bei einer anderen Compagnie mit an der Ausbildung der neuenMannschaft betätigt war, so hatte er Josef schon öfters getroffen. Da erstum 1/2 3 Uhr wieder angetreten wurde, so verbrachten wir sowie einige von Josefs besten Kameraden eine gemütliche Stunde beim Glase Bier. Dann zogen die sämtlichen Compagnien wieder zu einer nachmittäglichen Übung aus. Wir beobachten diese vom Lager aus so gut es ging und fanden die Sache richtig interessant. „Lieb Vaterland magst ruhig sein.“ Diese Worte des Liedes fielen einem immer wieder ein, wenn man bedachte, dass trotz der Millionenheere von uns, die das Banner des Sieges weit in Feindesland getragen, wir auch noch mit einer solchen Masse von Reserven ausgerüstet sind, wie wir ja hier sahen. Wie uns gesagt wurde, sollten zur Zeit in Elsenborn so 9.000 Mann liegen. Und wie hier, sei es auch in allen deutschen Garnisonstädten und Übungsplätzen.

Gegen 5 Uhr abends, als es zu dunkeln begann, da kamen die Mannschaften wieder herangerückt. Einige davon machten im Lager noch eine kleine Probe von Wendungen und Gewehrgriffen. Wir gingen wieder mit Josef in seine Stube. Von 1/2 6 bis 1/2 7 Uhr war noch Putzstunde angesagt worden; darum zogen wir es vor, uns in eine Kantine zurückzuziehen. Math. Brüll kam auch dahin und bald auch Josef mit seinen Kameraden. Leider verging die Zeit gar zu schnell und um 7 Uhr mußten wir uns von den neuen Vaterlandsverteidigern verabschieden und zum Bahnhof gehen. Beim Abschied wurde beidseitig die Hoffnung ausgedrückt, dass wir uns bald im Weihnachtsurlaub wiedersehen möchten. Ob es überhaupt Urlaub gibt?

Heute mußte auch Johann Förster, Buschgasse, sich in Montjoie stellen und wurde nach Düren beordert. Der mit ihm Ausgehobene, Mathias Carl, wurde infolge Krankheit seiner Mutter nochmals zurück gestellt. Arnold Jansen war zur Artellerie gezogen und hatte noch keinen Befehl erhalten. Von Hammer vernahm ich, dass Johann Arnolds, der in Frankreich stand, an Typhus erkrankt und im Lazarett zu Rhetel gestorben sei. Das war also der 5 te Tote unserer Gemeinde. Am 15. (Dez.1914) kam unangemeldet Johann Schröder hier an. Er hatte in Frankreich mit in den vordersten Reihen gelegen und war abkommandiert worden, um in Aachen Weihnachtsgaben für die Truppen in Empfang zu nehmen. Er war mit dem Eisernen Kreuze ausgezeichnet worden und trug es siegesfroh am Busen. Hatte in Aachen 4 Tage Urlaub erhalten. Heute war auch Exequ.-Amt für Joh. Arnolds aus Hammer. Der Kriegerverein sowie die hier weilenden Krieger beteiligten sich daran. Auch der Kirchenchor erfüllte seine Aufgabe wieder wie bei den früheren Fällen. Wann mag es uns vergönnt sein, das letzte feierliche Requiem einem gefallenen Krieger zu singen? Gebe Gott, wir hätten es bereits getan.

Am 16. Dez. (1914) wurde mir gesagt, dass auch Math. Wynands an Typhus erkrankt sei und im Lazarett Rethel liege. Hoffen wir mit der besorgten Mutter und den Geschwistern, dass die Krankheit gut verläuft. Am 17. hörte man nochmal aus westlicher Richtung Kanonendonner. Ob unsere 42 ziger wieder an der Arbeit sind?. Dann dürfte es aber bald Luft geben, da in der Gegend von Galois herum dann Flugs nach England hinein. Auch am 20./21. und 22. (Dez. 1914) hörte man mehr südwestlich eine fast ununterbrochene Kanonade. Sogar, wenn es längst dunkel war, wurde noch geschossen. Der Richtung gemäß muß es da unten im Elsaß sein, wohl bei Mühlhausen und Tann; wahrscheinlich sind die unserigen mit der Besatzung von Belfort aneinander geraten. Die Luft war besonders am 22. klar und rein, wodurch man das Schießen sogar im Hause hören konnte. Diesem alle zufolge muß es eine große Schlacht sein, die dort im Gange ist. Mal abwarten, was nächste Tage die Zeitung bringt.

Am 20. Dez. war Generalversammlung vom Consumverein. Trotz der misslichen Geschäftslage der letzten Zeit kamen dennoch 12 % Dividende zur Verteilung. U.a. war auch die Petroleumsfrage auf der Tagesordnung. Aus der Versammlung sollten Vorschläge gemacht werden, wie die Notlage gesteuert werden könnte. Da war aber guter Rat teuer. Mehr davon beschaffen konnte keiner und so kam man zum Schluß überein, dass im Geschäft an jedes Mitglied Petrol verteilt werden sollte wie bisher. Jede größere Haushaltung bekam ungefähr jeden Monat 4 Liter, kleinere oder solche, die umständehalber nicht soviel nötig hatten, nur 2 – 3 Liter. Handwerker dann nochmal 1 – 2 Liter extra. Es mußte also weiter gespart werden und mancher saß abends, seine Zeitung lesend beim Schein einer Kerze. Es wurden nämlich in dieser Zeit viele Tageszeitungen gehalten wegen der Neuigkeiten vom Kriegsschauplatz. In unserem Ort kamen so ca. 60 Exemplare vom Aachener Volksfreund. Aber auch noch manch andere Zeitung. Gestern kam auch Mathias Scheid wieder von Köln zurück, hatte nochmal Urlaub bekommen. Seine erschütterten Nerven hatten sich aber schon bedeutend gebessert.

Teures Schuhwerk. Den größten Preisaufschlag in den letzten Monaten hat wohl das Leder erhalten. Ein Schuster von hier erzählte mir, dass das Leder immer noch teurer würde. Schon im Oktober hätte er für das Pfund 5 Mk bezahlen müssen, wogegen es sonst nur 2,50 bis 2,80 Mk gekostet hätte. Jetzt aber würde einem nicht weniger als 7,50 Mark für das Pfund gefragt. Er hätte infolge dessen von Simmerath kein Leder mitgebracht, da man nicht wissen könnte, ob die Kunden bereit seien, 20 und mehr Mark für ein Paar Schuhe zu zahlen und darunter könne er solche nicht mehr machen. Da werden wir wohl bald auf Holzschuhen herumlaufen müssen. Vom Herrn Pastor wurde mir gesagt, dass auch der Studiosus Josef Kaulard (Kuhl) einberufen worden sei.

24. Dez. (Heiligabend-1914). Trotz Abschreibens kam heute Abend Bruder Josef von Elsenborn auf einen Tag Urlaub. Auch Mathias Brüll (Unteroffizier) kam mit ihm. Sie waren in letzter Stunde noch direkt zum Hauptmann gegangen und hatten sich den einen Tag Urlaub zu erwirken vermocht. Josef unterstützte uns am Weihnachtstage im Chörchen (Kirchenchor) und mußte leider um 4 Uhr schon wieder abschieben. Im Kriege gibt es leider kein Nachsehen, so dass selbst an diesem hehren Feiertage der Dienst nicht ausfallen durfte.

25.Dez. Wie war denn nun das Weihnachtsfest im Kriegsjahre? So werden wohl die nachkommenden Generationen fragen. Ja wie wars? Nicht gerade wie sonst. Bei aller Festtagsstimmung lag es doch wie ein leichter Druck auf einem jeden. Wie konnte man sich auch recht freuen, wenn auch in der Kirche im Lied die Worte: „Engel erscheinen verkünden den Frieden, Friede den Menchen wer freuet sich nicht“ gesungen wurde, so war’s einem doch dabei als müßte man mitten im Worte abbrechen und sagen: Lasst uns lieber aufhören, diese erhabenen Worte passen  in die heutige Welt voll Haß und Feindschaft nicht hinein. Im übrigen verweise ich auf  die Zeitungen vom 24. Dez., wo die Stimmung des Volkes am Kriegsweihnachtsfeste so schön geschildert wird. Will nämlich alle Zeitungen seit Beginn des Krieges zusammen heften und aufbewahren.

Der Schneidermeister Math. Hüpgens von hier war von Koblenz, wohin er bei Ausbruch des Krieges beordert wurde, auf Urlaub gekommen. Er erzählte, dass sie dort fortwährend feldgraue Uniformen und Mäntel anfertigen. Es seien da nicht weniger als 2.700 Militätschneider beschäftigt und außerdem noch 1.500 Schuster. Diese Zahlen scheinen einem bald etwas übertrieben und doch versicherte Hüpgens, dass es genau so sei und dass dieses Heer von Handwerkern nur dem Achten Armeechor liefere. Folglich würden wohl jedes Armeechor ein solches Handwerkerregiment haben. Das feldgraue Tuch käme mit ganzen Zugladungen an und würde mit elektrisch betriebenen Maschinen zugeschnitten. In dem Saale, wo er arbeitet, stünden über 100 Nähmaschinen. Das heißt wirklich Großbetrieb, so dass man sich gar keine rechte Vorstellung davon machen kann. „Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt“.

Jung-Deutschland, so nennt sich auch hier eine Truppe junger Burschen, welche sich um den Hauptmann des Kriegervereins, Johann Förster, zusammen geschart haben und fast jeden Sonntag einige Stunden üben und exerzieren, um sich höherer Weisung gemäß für den künftigen Heeresdienst auszubilden. Die kleine Kolonne, es mochten wohl ca. 30 Mann sein, begegneten mir eben und ich muß gestehen, dass sie einen strammen schneidigen Eindruck machten. Lieb Vaterland magst ruhig sein.

28.Dez. Vernahm heute, dass der schon früher verwundete Andreas Kessel aus Huppenbroich wieder schwer verwundet sei und im Lazarett liege. 29.Dez.- Hörte heute, die älteren Landwehrleute Heinrich Förster (Wirt), Martin Heinrichs, Hubert Kaulard, Stollenwerk/Briefträger, Martin Offermann und Johann Arnolds von Hammer und der im August verwundete Leonhard Kaulard seien von Köln, wo sie seit einiger Zeit gestanden, nach Frankreich zur Front abgegangen.

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