Tagebücher aus der Kriegszeit – Das Jahr 1915

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2020- Restaurierung Ehrenmal mit 6 neuen Granit-Gedenktafeln

Das Jahre 1915

Das alte Jahr hat es nicht vermocht, uns den Frieden zu bringen. Das neue Jahr muß das wilde Kriegsgetümmel von seinem Vorgänger übernehmen und fortsetzen. Wie lange wohl noch? Josef schrieb, sie würden am 6. oder 8. Januar von Elsenborn fortkommen. Nach dem Sennelager bei Paderborn oder nach Magdeburg um dann später nach Rußland zu rücken. Am 3. Jan. besuchte ich Josef in Elsenborn. Wollte mit dem Zuge um 9:05 Uhr fahren. Vor der Ankunft des Zuges wurde uns aber gesagt, dass derselbe in Roetgen schon überfüllt gewesen sei und wir also nicht mitfahren könnten, es würde aber ein Sonderzug eingelegt und wir könnten 20 Minuten später damit fahren. Dieser war aber fast ebenso stark besetzt wie der erste. Es wurde gesagt, dass Mannschaften vom Infantrie-Regiment 29 aus Frankreich nach Elsenborn gekommen seien. Daraus erklärt sich auch die große Zahl der Reisenden. Fast alles stieg in Sourbrodt aus, so dass der Weg zum Lager nur so wimmelte von Menschen. Der Bruder war noch voll auf. Hatte ihm Mundvorrat und andere Sachen mitgebracht. Obschon es Sonntag war, hatten sie doch vormittags wieder Schützendienst machen müssen, statt zur Kirche gehen zu können.

Die aus Frankreich gekommenen Leute konnte man von den anderen durch ihre teilweise herunter gekommene Uniform gut unterscheiden. Auch ein Eicherscheider, Gerhard Schröder, war dabei und kam plötzlich mit noch 2 seiner Kameraden in Josef’s Baracke. Das gab ein frohes Wiedersehen, ein Fragen und Erzählen ohne Ende. Wir waren erstaunt über ihr gutes gesundes Aussehen. Schröder erzählte, sie seien einmal 14 Tage nicht mehr unter Dach gewesen und seien in den 5 Monaten auch nicht einen Tag krank gewesen. Weite Bahnstrecken  hätten sie zurückgelegt, aus der Gegend von Verdun seien sie nach Ügern transportiert worden. Da hätte man bis an die Knie im Wasser gestanden. Von da sei es nach Mühlhausen und Sennheim unten im Elsass gegangen. Von da aus seien von jeder Kompanie 20 Mann nach Eldenborn abkommandiert worden. Wahrscheinlich würden Sie nun mit dem Ersatzbatallion 39, zu dem Josef ja auch gehört, nach dem Sennlager und später nach Rußland kommen. Mit dem Nachmittagszuge kam der Vater und Onkel von Schröder auch noch an. Wir saßen noch ein paar Stunden froh beisammen, bis wir wieder zur Bahn mußten. Dort wurde dann von den neuen und älteren Kriegern herzlich Abschied genommen. Ein Abschied vielleicht für’s Leben?

5. Jan. 1915: Heute mußte sich der früher zurück gestellte Math. Carl in Montjoie stellen und wurde mit ca. 120 Anderen zum 65. Infantrieregiment nach Köln beordert. Am 6. Jan. schrieb mir Math. Scheid, der vor einigen Tagen wieder nach Köln gerufen wurde, dass er in der dortigen Garnison Wachdienst machen müßte und voraussichtlich längere Zeit da bleiben würde. Auch wurde mir gesagt, dessen Bruder ArnoldScheid habe das Eiserne Kreuz erhalten. Am 7. Jan. kam Gerhard Schröder von Elsenborn auf 2 Tage in Urlaub.

Ein Hirtenschreiben, welches die versammelten Bischöfe Deutschlands erlassen, ordnete an , dass am 7./8./9. und Sonntag, den 10. Januar Buß- und Bettage sein sollten. Zweck dieser Verordnung war, dass dadurch der Segen Gottes im neuen Jahr auf unsere Waffen herab kommen möge und das Gott uns um so eher den ersehnten Frieden schenken möge. Auf besonderen Erlaß des Herrn Erzbischofs hatten wir an den 3 erstgenannten Tagen je 2 Gebetsstunden vor ausgesetztem hochw. Gut. Wegen Mangel an Petroleum wurden diese nachmittags von 2-4 Uhr gehalten. Am Sonntag den 10. war feierliches Hochamt zu Ehren des hl. Herzen Jesu und danach bis 1/2 4 Uhr Betstunden. Zum Schluß Predigt und Weihegebet. An jedem der Tage war Beichtgelegenheit und alle Pfarrangehörigen gingen mehrmals zum Tisch des Herrn. Hoffen wir, dass Gott der Herr den Sieg verleihen und baldigen Frieden schenken möge. 

9. Jan. – Josef schrieb, dass sie glücklich nach langer Fahrt bei Paderborn angekommen seien. Er sei bei einem Drogisten im Quartier und bekomme gutes Essen, so dass man nur wünscheönne, dass es noch einige Zeit so weiter gehe. Da könne man sich nochmal erholen. Der Postagent Kaulard ist von Köln wieder zurückgekommenund steht wieder auf dem Posten am Bahnhof Monjoie. 12. Jan. erhielten die Train-Ersatzleute Hermann Kaulard (Uhrm. Matthias Kaulard) und Aug. Heinrichs Befehl, sich am Samstag, den 16.01. in Montjoie zu stellen. Wahrscheinlich  wurden dieselber bei Transporten verwandt, da alle drei Fuhrleute sind. Vor einigen Tagen war die Polizei durch’s Dorf gegangen,für den Staat Hafer zu kaufen. Eicherscheid wurde verpflichtet, 100 Zentner zu liefern. Das Quantum war bald zusammen, obschon die meisten Leute den Hafer lieber behalten hätten um zu Futterzwecken  zu verwenden. Das Mehl war ja sehr teuer, aber das Vaterland geht vor. Mit der Sattelmacherei geht es jetzt auch sehr schlapp. Infolge dessen war auch der Holzverkauf, der heute stattgefunden hat, wenig besucht und es wurden nur niedrige Preise geboten.

Not lehrt Beten. 13. Jan. 1915 – Dieses Wort kann man auch auf die jetzige Zeit, die jetzt gebräuchlichen Beleuchtungskörper anwenden. Der Petroleumwagen kommt noch immer nicht, obschon er seit acht Tagen angesagt ist. Viele Leute haben garnichts mehr in der Kanne. Da wurden Kerzen gebrannt. Vorige Woche jedoch gingen auch die im Konsum auf. Was nun? Die meisten Radfahrer hatten Karbidlampen. Diese mußten jetzt im Zimmer aushelfen. Auch mir leuchtet die jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe. Aber auch andere Karbidlampen sind schon angeschafft worden. Otto Winkhold, der in Rollesbroich in einer Schreinerei arbeitet, hat von dort ca. ein halbes Dutzend solcher Lampen mitgebracht. Auch 40 – 50 Karbid-Stearinkerzen kosten jetz pro Pfund 1,00 Mark = 40 % teurerwie früher.

Das Wetter ist in der letzten Zeit sehr ungünstig. Fortwährend naß und kalt. Regen und Schneegestöber wechseln fast täglich ab. Man muß unsere armen Soldaten im Felde und in den Schützengräben, die trotzdem in dieser Witterung ausharren müssen, nur herzlich bedauern. Wie mag’s nun erst im kalten Rußland sein? 16.Jan. Unverhofft kam heute der bei dem Train stehende Hermann Classen auf ein paar Tage in Urlaub. Ich traf ihn an der Kirche und mußte staunen über sein sehr gutes Aussehen. Auf meine diesbezügliche Frage äußerte er, dass sie auch gar keinen Mangel gelitten hätten. In Frankreich hätte man sich genommen, was man kriegen konnte, und seit 12 Wochen, wo sie in Belgien gewesen seien, hätte es auch an nichts gefehlt. Er erzählte weiter, er sei mit dem Zahlmeister nach Aachen gekommen und hätte dort einen kleinen Urlaub bekommen. Seine Frau und Angehörigen werden bei seinem plötzlichen Erscheinen freudig überrascht gewesen sein.

15. Jan. – Von den drei Train-Ersatzleuten, welche sich heute in Montjoie stellen mußten, kam Math. Kaulard (Kuhl) wieder zurück. Hermann Kaulard (Uhrm.) und August Heinrichs sind nach Coblenz gekommen, scheinen doch für dauernd eingezogen zu sein. Heute erhielten wir vom Bäcker das erste Weißbrot mit 30 % Roggenmischung. Obwohl man diesen Zusatz im Aussehen und Geschmack wohl merken konnte, so schmeckte es doch ganz gut.

18.Jan.1915 – Heute mußten die Burschen des Jahrgangs 1893 zur Aushebung. Diese waralso ein paar Monate früher als sonst. Von Zwölfen, die sich stellen mußten, wurden 8 zum Militärdienst angeschrieben. Das waren Martin Offermann, Hermann Offermann, Josef Hoch, Arnold Baumgarten und die beiden älteren Jahrgänge Gerhard Kaulard, Martin Röhrlich, Arnold Jansen und Heinrich Kell. Da, wie ich hörte, die Ausgehobenen des Kreises Eupen schon einberufen sind, so steht zu erwarten, dass auch die oben Genannten bald eintreten müssen.

19.Jan. – Robert Kessel gefallen. Seiner Frau, jetzt in Huppenbroich wohnend, oder deren Eltern (Uhrmächisch) wurden vom Feldwebel die Todesanzeige nebst Uhr und Taschenmesser, sowie einiges Geld zugesandt. Gewiß ein sehr harter Schlag für die junge Frau und die beiden kleinen Kinder. Ihre Lage wird noch besonders durch das große noch nicht fertig gestellte Haus, welches sie in Huppenbroich erbaut hatten, erschwert. Robert soll am 09. Jan. durch eine Granate verschüttet worden sein.

21. Jan.1915 – Schon um 6 Uhr heute morgen mußten sich Johann Nießen und Martin Brüll, jetzt die beiden jüngsten Ersatzleute von hier in Montjoie stellen. Wegen Brüll, der in der Molkerei-Mühle arbeitete, war dieserhalb auf Zurückstellung beantragt worden. Da dieser Antrag Berücksichtigung fand, so kam Brüll wieder zurück. Nießen ging mit ca. 200 seiner Leidensgfährten nach Coblenz. Von da nach Dietz a. d. Lahn. Von Rohren hörten wir heute, dass unser Vetter, Alois Kaulard, auch am 09. Jan. infolge eines Granatsplitters gefallen sei. Wieder hatte der Tod einen jungen Ehemann von der Seite seines hoffenden Weibes gerissen. Wieviel häusliches Glück zerstört dieser grausame Krieg! R.I.P.. 23. Jan. – Leonhard Kaulard hat aus Frankreich geschrieben, dass der Kampf seit Mitte Januar geradezu furchtbar sei. Die französische Artillerie bombardiere fortwährend unsere Stellungen und Schützengräben.

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